Warum brauchen wir separate Innovationseinheiten?
In einer Zeit des rapiden technologischen Wandels steht der Aufbau erfolgreicher Innovationseinheiten im Zentrum unternehmerischer Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen, die es schaffen, dedizierte Innovationsteams zu etablieren und diese effektiv mit ihrem Kerngeschäft zu verzahnen, können disruptive Veränderungen nicht nur bewältigen, sondern aktiv gestalten.
Die Herausforderung ist offensichtlich: Während bis zu 95 Prozent der von Digitaleinheiten entwickelten Innovationsideen scheitern, lässt sich diese Quote durch den richtigen Ansatz deutlich verbessern.
Klassische Unternehmensstrukturen sind für inkrementelle Verbesserungen optimiert, stoßen jedoch bei disruptiven Innovationen an ihre Grenzen. Die Hürden sind vielschichtig:
- Innerpolitische Strukturen
- Lange Entscheidungswege
- Fehlendes Mindset
- Desillusioniertes Personal
Je weitreichender die angestrebten Neuerungen, desto ungeeigneter werden die bestehenden Strukturen, Prozesse und Denkweisen der Kernorganisation.
Eine separate Innovationseinheit schafft einen geschützten Raum, in dem neue Ideen fernab von operativen Zwängen gedeihen können. Sie ermöglicht es:
- Neue Geschäftsmodelle zu entwickeln, die über das Kerngeschäft hinausgehen
- Agile Methoden ohne Einschränkungen durch bestehende Prozesse zu implementieren
- Ein innovationsfreundliches Mindset zu kultivieren
- Neue Talente anzuziehen, die in traditionellen Strukturen nicht arbeiten würden
Modelle und Arten von Innovationseinheiten
Der konkrete Name Deiner Innovationseinheit – ob "Accelerator", "Innovation Hub", "Lab" oder "Corporate Venturing Unit" – ist zweitrangig. Wichtiger sind die grundlegenden Ansätze, die sich in drei Hauptmodelle unterteilen lassen:
Accelerator
Der Accelerator wirkt wie ein Beschleuniger bei der Gründung eines Start-ups. Mit externem Know-how und nachhaltigem Coaching wird der Wachstumsprozess in der frühen Phase stark vorangetrieben. Das Ziel: Innerhalb weniger Monate ein Konzept zu einer marktreifen Dienstleistung oder einem Produkt auszuarbeiten. Die Unterstützung ist zeitlich begrenzt.
Inkubator
Ein Inkubator stellt als "Brutkasten" alle notwendigen Bedingungen für den kontrollierten Entwicklungs- und Wachstumsprozess bereit. Er fungiert als Geburtsstätte für Start-up-Ideen und ihre potenzielle Ausgründung. Im Vordergrund steht die Entwicklung neuer, kreativer Ideen und das richtige Tempo statt schnellem Wachstum. Das Team besteht vornehmlich aus internen Mitarbeitenden.
Beteiligung an bestehenden Start-ups
Bei diesem Modell investiert das Unternehmen in bestehende Start-ups, die bereits eigenständig an der Umsetzung einer Geschäftsidee arbeiten. Durch eine Beteiligung kann Dein Unternehmen von externen Innovationen profitieren und diese mit seinem eigenen Know-how und seinen Ressourcen unterstützen.
Unabhängig von der gewählten Form definiert sich eine Innovationseinheit durch drei zentrale Elemente:
- Ein Change-Auftrag, der auf wesentliche Veränderungen wie Kulturtransformation oder den Aufbau neuer Geschäftsmodelle abzielt
- Eine vom Kerngeschäft abgegrenzte organisatorische Struktur
- Die Freiheit, eigene Methoden, Prozesse und Arbeitsweisen zu entwickeln
Strukturelle Grundprinzipien: Exploit vs. Explore
Im Innovationsmanagement existieren zwei grundlegende Strukturmodelle, die das Fundament für den Aufbau einer Innovationseinheit bilden:
Exploit-Strukturen (Ausschöpfungsstrukturen)
Exploit-Strukturen fördern die Fähigkeit zur Ausschöpfung des vorhandenen Potenzials. Sie setzen den Rahmen für inkrementelle Innovation und evolutionäre Veränderung. Diese Strukturen sind auf Effizienz und Standardisierung ausgerichtet, mit dem Ziel, vorhandene Potenziale gewinnbringend zu nutzen.
Charakteristisch sind:
- Klare hierarchische Ordnung
- Funktionale Aufgabenteilung
- Standardisierte Prozesse
- Regelbasierte Steuerung
Exploit-Strukturen eignen sich für Innovationen, die bestehende Produkte und Dienstleistungen verbessern oder erweitern.
Explore-Strukturen (Entdeckungsstrukturen)
Explore-Strukturen schaffen Raum für disruptive Innovationen und radikale Neuerungen. Sie fördern Experimentierfreudigkeit, Kreativität und die Entdeckung völlig neuer Geschäftsfelder.
Merkmale sind:
- Flache Hierarchien
- Flexible Teamzusammensetzung
- Prozessfreiheit
- Hohe Autonomie
Diese Strukturen eignen sich für Innovationen, die das bestehende Geschäftsmodell grundlegend verändern oder völlig neue Märkte erschließen.
Die Kunst des erfolgreichen Innovationsmanagements liegt darin, den richtigen Mix aus beiden Strukturtypen zu finden und je nach Innovationsvorhaben die passende Struktur zu wählen. Dabei kann eine 70-20-10-Verteilung (70% Kern, 20% benachbart, 10% transformierend) ein guter Ausgangspunkt sein.
Der Aufbauprozess einer Innovationseinheit
Der erfolgreiche Aufbau einer Innovationseinheit durchläuft mehrere wesentliche Phasen:
1. Vision und Mission definieren
Eine klare Innovationsthese bildet das Fundament jeder erfolgreichen Innovationseinheit. Sie legt die strategische Richtung fest, definiert Zielgruppen, adressierte Märkte und Rahmenbedingungen. Die Innovationsthese sollte aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden, gleichzeitig aber genügend Freiheitsgrade für kreative Prozesse bieten.
Das Festlegen inhaltlicher Schwerpunkte – und ebenso wichtig: das explizite Ausschließen bestimmter Themen – gibt Mitarbeitenden klare Leitplanken für ihre Aktivitäten.
2. Organisationsstruktur festlegen
Je nach strategischer Ausrichtung kann die Innovationseinheit unterschiedlich in das Unternehmen eingebettet werden:
- Als interne Abteilung mit direkter Berichtslinie an die Geschäftsführung
- Als eigenständige Tochtergesellschaft mit maximaler Unabhängigkeit
- Als hybrides Modell mit definierten Schnittstellen zum Kerngeschäft
Ein Beispiel zeigt die Gründung einer 100%-igen Tochtergesellschaft, die völlig unabhängig vom Mutterkonzern agiert und alle Freiheiten hat, ihre Organisationsstrukturen, Abläufe und Prozesse neu auszurichten.
3. Personal auswählen und Team zusammenstellen
Die Bildung leistungsfähiger Innovationsteams zählt zu den anspruchsvollsten Herausforderungen. Heterogenität in den Fähigkeiten ist besonders wichtig. Ein Top-Innovationsteam zeichnet sich durch aktives Vorantreiben gemeinsamer Entwicklung aus und leistet mehr als die Wirkungssumme der Einzelmitglieder.
Innovation funktioniert als "Gruppensport", bei dem eine Mischung verschiedener Persönlichkeiten und Talente gefordert ist. Statusdenken und Egoismus haben dabei keinen Platz – Konflikte werden offen ausgetragen und aus Fehlern wird gelernt.
4. Ressourcen, Budget und Infrastruktur bereitstellen
Die Zuweisung angemessener Ressourcen ist ein kritischer Erfolgsfaktor. Indem Du ausreichend finanzielle, personelle und technologische Ressourcen für Innovationsprojekte bereitstellst, stellst Du sicher, dass diese die nötige Aufmerksamkeit und Unterstützung erhalten.
Bei der technologischen Infrastruktur gilt es zu prüfen, ob die vorhandenen Systeme für neue Geschäftsmodelle geeignet sind oder angepasst werden müssen.
Die fünf Bausteine eines erfolgreichen Innovationsmanagements
Ein durchdachtes Innovationsmanagement besteht aus fünf zentralen Bausteinen, die zusammenwirken, um Innovationen kontinuierlich zu fördern:
1. Innovationsthese
Eine klare strategische Innovationsrichtung ist entscheidend, um den Rahmen für Innovation zu setzen. Die These legt Rahmenbedingungen für erfolgreiche Innovationen fest, die mit der übergreifenden Unternehmensstrategie einhergehen. Hierbei gilt es, Zielgruppen, Märkte und Investitionsbereiche zu definieren.
2. Innovationsportfolio
Das Portfolio beschreibt den Mix der adressierten Innovationen und teilt diese in Kern-, benachbarte und transformative Kategorien ein. Es dient als Steuerungsinstrument für Investitionen und hilft, eine ausgewogene Mischung der Innovationsarten sicherzustellen.
3. Innovationsframework
Das Framework gibt Teams einen strukturierten Arbeitsansatz – von der Ideenfindung über das Testen bis zur Umsetzung. Es umfasst in der Regel drei Schritte: Ideen generieren, Ideen testen und Ideen skalieren. Wichtig ist eine einheitliche Sprache und Methodik, um Transparenz über den Innovationsprozess herzustellen.
4. Innovationspraxis
Hier steht die praktische Umsetzung im Vordergrund. Das Kernprinzip: Keine Idee kann skaliert werden, ohne ein valides Geschäftsmodell zu haben. In dieser Phase werden verschiedene Hypothesen getestet und das erwartete Wachstum abgeschätzt. Eine positive Fehlerkultur ist entscheidend, um nicht tragfähige Ideen schnell zu erkennen, ohne dies als Misserfolg zu werten.
5. Innovationscontrolling
Mit klaren Leistungskennzahlen (KPIs) lassen sich Fortschritte messen und strategische Entscheidungen treffen. Dazu gehören Aktivitäts-KPIs (z.B. Anzahl generierter Ideen), Impact-KPIs (Wirkung der Innovationen) und investitionsbezogene Kennzahlen.
Kritische Erfolgsfaktoren für Innovationseinheiten
Mehrere Faktoren sind entscheidend für den Erfolg einer Innovationseinheit:
Unterstützung der Unternehmensführung
Die aktive Unterstützung durch das Top-Management sendet ein klares Signal, dass Innovation Priorität hat. Die Führung kann sicherstellen, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen und Hindernisse beseitigt werden.
Klare Ziele und Prioritäten
Diese dienen als Leitfaden für die Planung und Umsetzung von Innovationsprojekten. Klare Prioritäten ermöglichen eine gezielte Fokussierung auf die wichtigsten Innovationsbereiche und helfen, begrenzte Ressourcen effektiv einzusetzen.
Kultur der Risikobereitschaft
Eine Kultur, die Misserfolge und Fehlschläge toleriert und als wichtigen Bestandteil des Innovationsprozesses betrachtet, schafft ein Umfeld, das Mitarbeitende zu kreativen und innovativen Lösungen motiviert.
Strukturierter Innovationsprozess
Ein klarer, strukturierter Prozess stellt sicher, dass Innovationsaktivitäten systematisch geplant, durchgeführt und überwacht werden. Er hilft, alle Phasen der Innovation von der Ideengenerierung über die Konzeptentwicklung bis zur Markteinführung effektiv zu managen.
Förderung einer Kultur der Ideenbeiträge
Eine offene und kollaborative Arbeitsumgebung, in der Mitarbeitende ihre Gedanken und Perspektiven teilen können, bringt innovative Ideen an die Oberfläche und ermöglicht deren Weiterentwicklung.
Integration ins Kerngeschäft: Die große Herausforderung
Die Integration von Innovationen ins Kerngeschäft stellt eine der größten Herausforderungen dar. An der Schnittstelle zwischen Innovation und operativem Geschäft entstehen typische Probleme:
Methodische Limitierungen
Delivery-Teams können Produkte gut optimieren, solange sie mit bekannten Methoden arbeiten. Wenn die Innovation jedoch außerhalb ihres gewohnten Spektrums liegt, haben sie oft Schwierigkeiten, diese erfolgreich zu übernehmen. Dadurch werden entscheidende Wachstumsmotoren möglicherweise übersehen.
Organisatorische Einschränkungen
In funktionalen Organisationen wird es für cross-funktionale Innovationsteams schwerer, einen einfachen Zugang zur Organisation zu finden. Produkte und Dienstleistungen sind in siloartige Abteilungen unterteilt, die für nachhaltige Innovation gut vernetzt sein müssen.
Limitierung in Kultur und Sprache
Für effektives Innovationsmanagement müssen alle Beteiligten dieselbe Sprache sprechen. Innovationsteams sollten ihre Methoden klar beschreiben, und Mitarbeiter im Kerngeschäft sollten Grundwissen im Innovationsmanagement mitbringen, um Missverständnisse zu vermeiden.
Um diese Herausforderungen zu meistern, sind folgende Ansätze hilfreich:
- Eng vernetzte Führungskräfte: Führungskräfte aus beiden Einheiten sollten eng miteinander vernetzt sein, damit die Innovationseinheit auf Fachwissen, Talente und finanzielle Ressourcen des Kerngeschäfts zurückgreifen kann.
- Schrittweise Integration: Innovationen sollten schrittweise ins Kerngeschäft integriert werden, mit klaren Meilensteinen und definierten Übergabepunkten.
- Gemeinsame Teams: "Brückenköpfe" in beiden Organisationseinheiten können den Wissens- und Kompetenzaustausch fördern.
- Spin-Out-Option: Wenn ein intern gefördertes Wachstum nicht möglich ist, kann eine Auslagerung der Innovation als Spin-Out sinnvoll sein, um schneller Entscheidungen treffen zu können und bürokratische Hindernisse zu umgehen.
Von der Theorie zur Praxis
Die Umsetzung von Innovationseinheiten gestaltet sich je nach Branche und Unternehmensgröße unterschiedlich. In der Praxis beobachten wir verschiedene Ansätze:
Eigenständige Tochtergesellschaften
Viele Unternehmen entscheiden sich für die Gründung einer 100%-igen Tochtergesellschaft, die unabhängig vom Mutterkonzern agiert. Dies ermöglicht maximale Freiheit bei der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und Innovationen, die sich teilweise deutlich vom Kerngeschäft unterscheiden können.
Integrierte Innovationsteams
Ein anderer Ansatz ist die Schaffung interner Innovationsteams mit direkter Anbindung an die Geschäftsführung. Diese Einheiten bleiben näher am Kerngeschäft, haben aber dennoch Freiraum für neue Methoden und Prozesse.
Hybride Modelle
In der Praxis setzen sich zunehmend hybride Modelle durch: Eine eigenständige Innovationseinheit mit klar definierten Schnittstellen zum Kerngeschäft. Diese Balance ermöglicht sowohl die nötige Freiheit für radikale Innovation als auch die Verbindung zum Hauptunternehmen für eine spätere erfolgreiche Integration.
Fazit: Erfolgsfaktoren für die digitale Innovationseinheit
Unternehmen stehen vor der Herausforderung, eine Balance zwischen dem operativen Tagesgeschäft und der notwendigen Innovation zu finden. Der Aufbau einer digitalen Innovationseinheit kann der Schlüssel sein, um disruptive Veränderungen nicht nur zu bewältigen, sondern aktiv zu gestalten.
Für den erfolgreichen Aufbau und die Integration einer Innovationseinheit ins Kerngeschäft sind folgende Faktoren entscheidend:
- Klare strategische Ausrichtung: Die Innovationseinheit muss aus der Unternehmensstrategie abgeleitet werden und klar definierte Ziele verfolgen.
- Passende Organisationsform: Je nach Innovationsvorhaben ist die richtige Balance zwischen Unabhängigkeit und Integration zu finden.
- Diversifiziertes Team: Heterogene Teams mit unterschiedlichen Fähigkeiten und Perspektiven steigern die Innovationskraft.
- Strukturierter Innovationsprozess: Von der Ideengenerierung bis zur Skalierung braucht es klare, aber flexible Prozesse.
- Kulturelle Brücke zum Kerngeschäft: Eine gemeinsame Sprache und kulturelle Verbindung erleichtern die spätere Integration.
- Unterstützung der Führungsebene: Ohne Commitment des Top-Managements fehlen oft Ressourcen und Durchsetzungskraft.
- Effektives Schnittstellenmanagement: Definierte Übergabepunkte und gemeinsame Verantwortlichkeiten fördern die erfolgreiche Integration von Innovationen ins Kerngeschäft.
Die Welt wird komplexer und die Innovationszyklen kürzer. Unternehmen, die es schaffen, digitale Innovationseinheiten erfolgreich aufzubauen und mit dem Kerngeschäft zu verzahnen, sichern nicht nur ihr Überleben, sondern gewinnen entscheidende Wettbewerbsvorteile in einer zunehmend digitalisierten Wirtschaft.
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